Kunstwerk des Monats
Dezember 2022
ZIPCODE, 2001
Zilla Leutenegger (*1968)
Videoinstallation, Papier, Farbe, Ton
4 min
Inv.-Nr. 58
Gleich mehrere Räume greifen in der Arbeit ZIPCODE von Zilla Leutenegger ineinander: Ein Beamer projiziert den Ausschnitt eines Zimmers in den Ausstellungsraum. Auf einer Matratze am Boden sitzt eine Person, die telefoniert. Sie schmiegt sich in eine Zimmerecke, vor ihr liegt eine Papierrolle. Prominent hängt eine grossformatige Zeichnung an der Wand beim Kopfende der Matratze. Während die Umgebung im Video realistisch anmutet, ist sowohl die telefonierende Figur als auch die Zeichnung mit wenigen Strichen skizzenhaft ausgeführt.
Die projizierte Zimmerecke stimmt mit der realen Ecke des Ausstellungsraumes überein und die Zeichnung wird auf ein reales, leeres Blatt Papier, das an der Ausstellungswand hängt, gebeamt. Das Papier ist unten noch leicht gerollt, dringt also in den Ausstellungsraum ein, als sei es erst kürzlich von der «fiktiven» Rolle auf der Matratze geschnitten und aufgehängt worden. In ihrer Arbeit verbindet Leutenegger nicht nur verschiedenen Medien wie Zeichnung, Video und Installation zu einer raumgreifenden Collage, sondern spielt auch mit der Wahrnehmung der Betrachter:innen. Die Grenzen zwischen fiktionalen und realen, privaten und öffentlichen, zwei- und dreidimensionalen Räumen verschwimmen. Auch das Motiv der telefonierenden Person ist ein Verweis auf die Auseinandersetzung mit Raumkonzepten: Telefonieren ist einerseits eine alltägliche Situation, wie sie der Künstlerin oft als Ausgangspunkt für ihre Werke dient. Andererseits bedeutet Am-Telefon-Sein auch, an einem bestimmten Ort und gleichzeitig ganz woanders, anwesend und doch in sich gekehrt zu sein.
Zum Akt des Telefonierens gehört ein Gegenüber, das man nicht sieht und es sich deshalb vorstellt. Wobei an dieser Stelle erwähnt werden soll, dass es für ZIPCODE ein Pendant gibt, nämlich die ebenfalls mit Ton untermauerte Videozeichnung MAMORU von 2001. In letzterer telefoniert eine draussen im Schneegestöber stehende Person. ZIPCODE und MAMORU sind die ersten Arbeiten der Künstlerin, in welchen sie mit Sprache spielt und verschiedene Sprachräume eröffnet. Japanisch klingt die telefonierende Person in MAMORU, es ist eine Tonspur, die Zilla Leutenegger direkt dem japanischen Anime Film Ghost in the Shell entnommen hat. In ZIPCODE spricht die Künstlerin selbst den japanischen Monolog nach – für Japaner:innen völlig unverständlich, wie sie später herausfindet. Eine Art «Geheimsprache» ist in ihrem Œuvre immer wieder zu finden. Wie in vielen Arbeiten der Künstlerin ist die dargestellte Figur – hier die telefonierende Figur – das Alter Ego von Zilla Leutenegger oder in der Kurzfassung einfach Z. Z für Zilla oder eben auch Z wie ZIPCODE.
Zilla Leutenegger (*1968) wurde in Zürich geboren und zog als Kind mit der Familie sehr oft um. Sie besuchte die Handelsschule in Chur und die Textilfachschule in Zürich. Neben ihrer mehrjährigen Arbeit als Einkäuferin für eine Bekleidungsfirma zeichnete sie. Von 1995 bis 1999 studierte Leutenegger Bildende Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in der Stadt Zürich, wo sie auch gegenwärtig lebt und arbeitet. Die Künstlerin hat bereits zahlreiche Ausstellungen und Kunst-am-Bau-Projekte gestaltet und ihre eigene, unverkennbare Sprache mit zu Installationen verwobenen Videoprojektionen und Zeichnungen entwickelt, in der sich Räume sinnlich und verspielt überlagern.
Text: Larisa Baumann