Kunstwerk des Monats
März 2023

Putin Splash, 2021

Thomas Müllenbach (*1949)
Baumwolle, Metall, Kunststoff, Aquarell
48 x 42 x 9cm
Inv.-Nr. 4742

Weiss – Blau – Rot: Vielleicht mit Unbehagen nimmt man zurzeit die Farben unseres Kunstwerks des Monats wahr. Die Farben der russischen Trikolore ständen laut russischem Wikipedia-Eintrag für Edelmut und Offenheit – Treue, Ehrlichkeit, Makellosigkeit und Keuschheit – Mut, Kühnheit, Grosszügigkeit und Liebe.

Mit Wladimir Putin regiert aber ein Mann das grösste Land der Erde, der Tugenden wie Edelmut oder Ehrlichkeit auf seine ganz persönliche Art interpretiert. Nicht erst seit der Einführung der Gesetze gegen das Diskreditieren russischer Streitkräfte oder «freiwilliger» Kämpfer wie die Wagner-Söldner oder gegen «ausländische Agenten» oder Organisationen unter «ausländischem» Einfluss ist klar, dass sich der russische Staat systematisch zu einem korrupt-repressiven Apparat zugunsten von Oligarchen, Freunden und Zöglingen Putins entwickelt. 

Apparatschiks gehen seit Jahren gegen Kremlkritiker vor. Teils werden sie verbal eingeschüchtert, teils verhaftet und in rechtsstaatlich bedenklichen Prozessen verurteilt. Wer in Ungnade fällt, muss um sein Leben fürchten. Auch der Oppositionelle Alexej Nawalny sollte sterben. Agenten des russischen Inlandgeheimdienstes drangen 2020 in sein Hotelzimmer in einer sibirischen Stadt ein und strichen militärischen Nervenkampfstoff an die Innenseite seiner Unterwäsche. Später brach Nawalny auf einem Inlandflug zusammen.

Selber dünnhäutig gegenüber Ungerechtigkeiten, verlogenen Politiker:innen und zynischer diplomatischer Sprache konnte Thomas Müllenbach nicht anders, als künstlerisch auf diesen Anschlag zu reagieren. Mit dem Werk Putin Splash (engl. «Spritzer») bezieht Müllenbach Position gegen Heimtücke und Skrupellosigkeit, gleichzeitig grinst die Ironie den Betrachter oder die Betrachterin des Werks vermaledeit an: Der immense logistische, personelle und zeitliche Aufwand für das Anbringen des Nowitschoks steht in keinem Verhältnis zum letztlich erfolglosen Ausgang dieser skurrilen, oscarwürdigen Vergiftungsaktion. Sie wird wohl nicht die letzte bleiben. Putin Splash kann auch als Mahnmal fungieren, um in Erinnerung zu rufen, dass weitere Attentate in Planung sind. Die Unterhose schaukelt unglücksselig an der Wand.

Thomas Müllenbach (*1949 in Koblenz, Deutschland) zieht nach Studienjahren an der Kunstakademie Karlsruhe als 23-Jähriger nach Zürich, um am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft eine Ausbildung zum Restaurator zu absolvieren. Zeitgleich entwickelt er seine künstlerische Praxis weiter, erhält mehrere Stipendien der Stadt. Im Kunsthaus Zürich folgt 1980 die erste Einzelausstellung. Müllenbach ist 1985 Initiator und Mitbegründer der Kunsthalle Zürich, deren Vizepräsident er bis 2003 bleibt. Von 1989 bis 2015 wirkt er als Professor an der Zürcher Hochschule der Künste. Als Homo politicus verfolgt er aktuelle Ereignisse genau; so referieren zahlreiche Arbeiten auch auf den Krieg in der Ukraine.

Text: Florian Hürlimann