Kunstwerk des Monats
Mai 2023
La danza degli storni, 1991
Andrea Wolfensberger (*1961)
16mm-Film
Ed. 10/30
Inv.-Nr. 719
Undefinierbares Wirren. Ordnung oder doch Chaos? Die Kunst von Andrea Wolfensberger gibt sich zunächst oftmals nicht Preis. Dabei ist ein wiederkehrendes Motiv im Schaffen der Künstlerin gerade das Festhalten von natürlichen Prozessen und alltäglichen Abläufen, das Sichtbarmachen von Formen im scheinbar Formlosen. Wolfensberger bedient sich dazu auch gerne an naturwissenschaftlichen Methoden. Ihre Arbeiten gehen jedoch über das Moment blossen Aufzeichnens bewusst hinaus. So ist es gerade jener dokumentarische Charakter der von ihr verwendeten Techniken, den Wolfensberger mit einer immer neuen Faszination an visuellen Verschiebungen und medialen Manipulationen in eine völlig neue Bildsprache übersetzt. Das Ergebnis ist dabei oft abstrakt.
Auch bei La danza degli storni (übersetzt «Starentanz») verweist in erster Linie der Titel auf das eigentlich Abgebildete: Was auf den ersten Blick wie eine Mischung aus mathematischer Computersimulation und frühem Kinofilm anmutet, ist in Wahrheit die filmische Aufzeichnung eines Starenschwarms über Rom, der sich gegen eindringende Raubvögel zu verteidigen versucht. In der Entfremdung durch die Verwendung des Bildnegativs und der gleichzeitigen Verflachung ins Zweidimensionale tritt der Realitätsanspruch des filmischen Mediums jedoch in den Hintergrund und schafft Raum für neue Assoziationen. Reduziert auf die Wogen der weissen Punkte entfaltet das Naturschauspiel seine ganz eigene Poesie.
Andrea Wolfensberger (*1961) erhält nach ihrer künstlerischen Ausbildung an der Ecole supérieure d’art visuel in Genf (1980–1984) zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, unter anderem am Istituto Svizzero in Rom (1990–1991), während dem auch dieses Werk entstand. Seit 1985 zeigt die Künstlerin ihre Werke regelmässig in der Schweiz, aber auch international und realisiert parallel Kunst-am-Bau-Projekte und Arbeiten im öffentlichen Raum. Seit 2004 hält sie zudem einen Lehrauftrag an der Hochschule der Künste Bern.
Text: Silvan Benz