Keine Bilder.

Kunstwerk des Monats
Oktober 2021

THe Guest Gallery, 2012

Marlies Pekarek (*1957)
Glycerinseife
diverse Grössen
Inv.-Nr. 4486 I–XXV

Miniaturbüsten von scheinbar berühmten Persönlichkeiten in transluzenten Farben sind in einer Vitrine präsentiert. Lieblich sind sie anzuschauen. Lediglich an der Tafel, die neben dem Kunstwerk angebracht ist, erfahren wir, dass die Figuren unterschiedlich duften. Als Betrachtende bleibt uns der Duft durch die Vitrine verwehrt.

Inspiriert zu diesem Kunstwerk wurde Marlies Pekarek bei einem Besuch des Souvenirshops im Louvre, wo französische Persönlichkeiten, allen voran Marie-Antoinette, als kleine Büsten erworben werden konnten. Im Spiel zwischen Original und Kopie orientierte sich die Künstlerin für ihre Guest Gallery zwar an Abbildungen berühmter historischer Persönlichkeiten, lässt aber zeitgenössische Personen aus dem Kulturbetrieb – Sammler, Kuratoren, Museumsdirektoren – ins historische Abbild schlüpfen. Dabei durften diese selber auswählen, mit welcher Berühmtheit sie «en miniature» vereinigt werden. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Die Kulturschaffenden werden eins mit den historischen Personen, die ihre kulturelle Prägung und damit ihre Arbeit fassoniert haben. So wählte Peter Bosshard, der Sammler und Gründer des Kunst(Zeug)Haus, Friedrich Nitzsche als bildgebendes Vorbild.

Als Material diente der Künstlerin Glycerinseife. Ein Werkstoff, mit dem sie durch den Beruf des Grossvaters, einem Seifensieder, vertraut war. Pekarek ehrt damit die handwerkliche Fähigkeit, die in der Moderne eine untergeordnete Rolle spielt. Das Material Seife – ein potentieller Gebrauchsgegenstand und Konsumgut – wird durch diese Arbeit dem Kommerz entzogen und erhält als Kunstwerk einen neuen Wert.

Doch Seife ist vergänglich. Im Gebrauch und in Verbindung mit Wasser würden sich die in Seife gegossen Kulturpersönlichkeiten in Schaum auflösen. Während der Zersetzung gäben die Persönlichkeiten ihren individuellen Duft frei. Sie würden wie in einem rituellen Bad den Geist und die Sinne reinigen und beleben. Im Gespräch mit der Kuratorin Anna Wälli fasste die Künstlerin den Prozess folgendermassen zusammen: «Wertvolles wird wertlos und Wertloses wertvoll.» Denn Duft gilt von jeher auch als ein sinnlich wahrnehmbares Zeichen von Wohlstand. Von Wert sind entsprechend auch die historischen Persönlichkeiten – für die mit ihnen verschmolzenen Kulturschaffenden wie womöglich auch für uns Betrachtende. The Guest Gallery stellt Fragen: Wie stark ist die historische Inspiration in unserem kulturellen Gedächtnis verankert? Wie beeinflussen kulturelle Errungenschaften der Vergangenheit den kulturellen Wandel, den wir stetig erleben und selbst gestalten? Die Sammlungsausstellung I'll Be Your Mirror. Wasser in der Sammlung Bosshard lädt Sie ein, vor und mit den Persönlichkeiten in der Vitrine eine Antwort zu finden.

Marlies Pekarek (*1957), in Bern geboren, studierte Bildende Kunst an der Southern Cross University in Lismore (Australien) und der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich. Die heute in St.Gallen lebende Künstlerin wurde mehrfach für ihr vielgestaltiges Œuvre ausgezeichnet, in welchem sie den Einfluss von Religion und Ethnologie sowie Kapitalismus und Kommerz auf Repräsentationsformen und Identifikationsmechanismen erforscht.

Text: Julianna Ban.