Kunstwerk des Monats
Oktober 2023
OHNE TITEL, 2000
Eva-Maria Pfaffen (*1963)
Metzgerpapier, Faden
Grösse variabel, ca. 18 m2
Inv.-Nr. 369
Nichts für rennende Kinder oder geöffnete Fenster: Das Werk Ohne Titel aus Metzgerpapier von Eva-Maria Pfaffen ist empfindlich. Schon der kleinste Luftzug oder eine unvorsichtige Bewegung kann die Anordnung des aus über hundert Papierzylindern bestehende Werk verändern.
Die Künstlerin arbeitet gerne mit Materialien aus ihrer Kindheit – hier mit jenem Papier, in dem Fleisch in Metzgereien für die Familienmahlzeit eingeschlagen wurde. Für diese Installation wurde das Metzgerpapier zu Vierecken zugeschnitten. Zwei gegenüberliegende Seiten wurden mit Nadel und Faden zusammengenäht und auf diese Weise zu einem Zylinder geformt. Der Akt des Zusammennähens des Papiers kann als den Metzger:innenberuf spiegelnd gelesen werden: Wo hier zusammengefügt wird, wird dort auseinandergenommen. Gleichzeitig steht die Zartheit des Papiers in Kontrast zu seinem blutigen Zweck. Während das Papier des Kunstwerks einen Hohlraum bildet, umfängt das Material in seinem ursprünglich angedachten Zweck schützend ein Stück Fleisch.
Das vielschichtige Werk lässt Raum für zahlreiche Assoziationen: Es lässt uns an Salzlampen denken oder an ungeschliffenen Rosenquarz. Es weckt Neugier, so kann man in der Ausstellung immer wieder Besuchende dabei beobachten, wie sie nachsehen, ob in den Zylindern etwas versteckt sei. Schaut man das Werk allerdings weniger von oben, sondern von der Seite an, wird einem die Zartheit des Papiers bewusst. Die einzelnen Zylinder verschmelzen optisch miteinander und bilden eine Struktur, die an ein Riff oder eine Bienenwabe erinnert.
Eva-Maria Pfaffen wurde 1963 geboren und wuchs auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb im Wallis auf. Dies hat ihr Schaffen nachhaltig geprägt: So arbeitet sie oft mit Erinnerungen und Materialien ihrer Kindheit, transformiert diese jedoch so weit, dass sie sich von ihren Ursprüngen emanzipieren. Nach einem Studium an der Hochschule Luzern und jahrelanger freischaffender Tätigkeit unterrichtet Pfaffen seit 2011 an der Hochschule Luzern. Sie arbeitet vor allem installativ, wobei ihr der Dialog mit dem Raum und die Wahl des Materials besonders wichtig sind.
Text: Anna-Vera Oppliger