Kunstwerk des Monats
September 2024

Wunderland 3, 2009

Katrin Freisager (*1960)
Analoge Fotografie, Inkjet Print auf Papier
49 x 60.2 cm
Ed. 27/30
Inv.-Nr. 4192

Inmitten einer moosigen Höhle unter einem Baumstumpf im Wald ist die Kamera von Katrin Freisager platziert. Die Künstlerin schafft eine grossformatige Fotografie, die märchenhaft anmutet. Im Vordergrund zeigt sie silbernes Gespinst und feines Wurzelwerk. In der Bildmitte hinter den Wurzelfäden erfasst sie einen hellen Ausgang. Wohin mag dieses Schlupfloch führen? Vielleicht zu einem verwunschenen Garten?

Mit Wunderland 3 zeigt Katrin Freisager eine wundersame Welt im Waldmoos. Dafür verbindet sie Mittel der analogen Fotografie und Land Art: Zunächst wählt Freisager einen Ort in natürlicher Umgebung, den sie dann durch kleine Eingriffe, hier etwa das Umlegen und Einfärben der Wurzeln, bearbeitet. Sie positioniert ihre Kamera am Boden, um eine ungewöhnliche Perspektive auf das Motiv einzufangen. Dann fokussiert sie die Kamera auf den hellen Ausgang im Bildhintergrund und taucht das Davorliegende in Unschärfe. Das Motiv rückt in träumerische Distanz. Durch die Wahrnehmung der Künstlerin, ihre Auswahl des Motivs und den Blickwinkel der Kamera entsteht eine analoge Fotografie, die beinahe surreal anmutet. Den Betrachtenden gelingt es nicht, das Motiv in Gänze zu erfassen, stets bleibt etwas Unspezifisches zurück, das zum freien Assoziieren und Ergänzen anregt.

Der Titel der Fotografie und des Werkzyklus Wunderland lässt an das Märchen Alice im Wunderland denken. Darin gelangt die Protagonistin durch ein Portal in eine zauberhafte Welt und verliert beim Betreten der anderen Welt an Körpergrösse. Verkleinert entdeckt sie das Wunderland voll fantastischer Geschöpfe und Absurditäten. Auch die Arbeit Freisagers vermittelt Wundersames. Die Fotografie weckt Assoziationen zum fabelhaften Blick eines kleinen Wesens, das die moosige Höhle bewohnt. Handelt es sich vielleicht um die Behausung einer Maus, vielleicht sogar einer Fee?

Der reale, gegenstandsbezogene Ausgangspunkt von Freisagers Fotografie regt einen fantasievollen Blick an. Die Künstlerin erläutert: «Fotografie haftet Wahrheitsglaube an, weil sie als abbildendes Medium erfunden wurde und damit spiele ich gerne. Bei mir ist die Fotografie eigentlich nie rein abbildend. Es geht mir um den Ausganspunkt der Realität, die dann in die Fiktion übergeht. Es geht um ein Spiel mit Realität und Fiktion.»

Katrin Freisager (*1960) ist in Zürich geboren und studierte Fotografie an der Zürcher Hochschule der Künste. Ihre Arbeit wurde in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, erhielt nationale und internationale Auszeichnungen und befindet sich in mehreren öffentlichen und privaten Sammlungen. Freisager ist Dozentin am Institut Art Gender Nature HGK FHNW Basel. Sie lebt und arbeitet in Zürich.

Text: Anja Grossmann