Kunstwerk des Monats
August 2021
RUDERBOOT, 2002
Ueli Berger (1937–2008)
Wellkarton geschichtet
63 x 387 x 390 cm
Inv.-Nr. 2181
Rot, Grün, Pink, Gelb, Blau – bunt, fröhlich, heiter wirkt das Boot. Gestrandet in Rapperswil-Jona. Gebaut aus übereinandergeschichtetem Verpackungsmaterial, auf dem teilweise noch die Logos der Produzenten erkennbar sind: Eine strahlende Sonne, verführerisch lächelnde Damen laden uns ein, locken uns einzusteigen. Durch seine Materialität und den aus dem Rumpf geschnittenen Rudern ad absurdum geführt, wird das Boot zum symbolischen Objekt. Ueli Berger verweist mit seinem Kunstwerk auf einige der grössten gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart: Zum einen spricht er unser Konsumverhalten sowie unsere Wegwerfgesellschaft an. Des Weiteren wurde das Ruderboot 2002 geschaffen. Im Jahr, in dem vom Europäischen Rat die EU-Grenzpolizei zur Abwehr der Flüchtlinge ins Leben gerufen wurde. Ein Zufall?
Das Boot verspricht eine Überfahrt ins gelobte Land, ganz in antiker Manier des Urbootes. Eine Verheissung auf Erlösung, doch ist sie trügerisch. Es stellt sich die Frage, wie lange eine solche Reise aufgrund des manipulierten Bootskörpers überhaupt dauern könnte. In welcher Situation müssten wir sein, um in dieses Boot zu steigen? Todesgefahr, Hungersnot, Versklavung?
Geboren 1937 in Bern, gelangte Ueli Berger über Architektur und Design zur Kunst. Dies ermöglichte es ihm, multidisziplinär in allen Genres kreativ zu sein. Mit Experimentierfreude, Lust und Spass hinterfragt und beleuchtet Berger triviale Materialien und Dinge. In der Weiterentwicklung der Konzeptkunst eines Marcel Duchamps aus den 1920er-Jahren wurde es zur Konstante in Bergers Werk, Dinge aus ihrem Kontext und von ihren natürlichen Grenzen zu lösen. Durch die Verfremdung alltäglicher Gebrauchsobjekte entzieht er diesen ihren Zweck und füllt das entstandene Vakuum mit neuer Bedeutung. In diesem Spannungsmoment zwischen sachlicher Realität und Verfremdung wird das Objekt zum symbolischen Kommunikationsmedium, zur Kunst.
Berger begegnet uns in seinem Œuvre mit einem humorvollen Augenzwinkern. Auf den ersten Blick bringt er uns zum Schmunzeln, Lachen. Doch die Erheiterung hält nicht lange an. Berger geht viel tiefer. Er öffnet das Tor zum Denken, lädt ein, unsere Gesellschaft zu hinterfragen, Ursachen und Wirkungen zu ermitteln, unser eigenes konditioniertes Verhalten zu reflektieren und «out of the box» zu handeln.
Ueli Berger (1937–2008) gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Schweiz. Seine Werke sind auch im öffentlichen Raum zu bewundern und zu erfahren, wie die Stahlskulptur Grosser Chribel in Bern und die Weltkugel in Düdingen FR.
Text: Julianna Ban. Foto: Andri Stadler, Kunst(Zeug)Haus.