Kunstwerk des Monats
August 2023
Yangon Fades #1, 2013
Christoph Brünggel (*1980)
Pigmentdruck auf Papier
84.9 x 128.0 cm
Inv.-Nr. 4058
Seit mehr als zehn Jahren setzt sich Christoph Brünggel unter anderem mit Verletzungen, Krisen, Traumata, Transformationen, Ab- und Auflösungen sowie Zersetzungen auseinander. Ausgehend von ausgiebigen künstlerischen Recherchen entstehen zum einen Werke, auf die er stark einwirkt, und zum anderen solche, in denen er seinen Einfluss zurücknimmt und sie – einem Objet trouvé gleich – für sich allein sprechen lässt.
Ausgangspunkt für Yangon Fades #1 war tatsächlich ein gefundenes Objekt: Brünggel fand in einem modrig-feuchten Hotelschrank in Yangon (Burma, ehemals Myanmar) einige plastifizierte Fotografien. Offenbar von einem Pilz befallen, zersetzte dieser die Chemikalien zwischen Papier und Kunststoff. Man erkennt in der linken oberen Ecke noch eine strammstehende Person in weissem Hemd, der Pilz liess aber das Bild grösstenteils verschwinden (das englische Verb «to fade» im Titel lässt sich mit «verblassen», «verschwinden», «nachlassen» oder «vergehen» übersetzen). Gleichzeitig tauchten die chemischen Prozesse die Szenerie atmosphärisch-magisch in Lila- und Türkistöne. Brünggel löste die Plastifizierung sorgfältig ab und war von diesem Ready-made beeindruckt. Zurück in der Schweiz liess er die Fotografie scannen und vergrössert drucken.
Unser Kunstwerk des Monats gehört zu Brünggels Werkgruppe «Aus der unmittelbaren Wirklichkeit». Der Name bezieht sich auf den gleichnamigen Roman des rumänischen Schriftstellers M. Blecher (1909–1938), in dem sich der namenlose Ich-Erzähler mit Situationen auseinandersetzt, in denen äussere Geschehnisse auf extreme Art und Weise innere Prozesse auslösen: An verfluchten oder verzauberten Orten wird die Figur von Krisen heimgesucht. Die Krise als Zustand, in dem sich die Welt – wie in Yangon Fades #1 – aufzulösen scheint. Die bunten Farben wecken aber Hoffnung. Birgt nicht jede überwundene Krise die Chance eines Neuanfangs?
Christoph Brünggel (*1980) studierte an der Hochschule der Künste in Bern und nahm am EARS-Programm (Emerging Artists-Researchers in Sound and Technology) der Zürcher Hochschule der Künste teil. Brünggel verfolgt einen transdisziplinären Ansatz, der sich von der Bildenden Kunst über elektro-akustische Musik, in Konzerten oder Performances vorgetragen, erstreckt. Sein vom Aargauer Kuratorium herausgegebene Buch «Archäologie der Instabilität / Unearthed Foundations», das sich gleichermassen als Künstlerbuch wie Werkdokumentation versteht, erschien 2016. Brünggel nahm an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teil.
Text: Florian Hürlimann