Kunstwerk des Monats
Februar 2025
Ohne Titel (A_2004_01), 2004
Marcel Gähler (*1969)
Aquarell auf Papier
14.7 x 21 cm
Inv.-Nr. 2576
Verborgenheit schafft Neues: In Marcel Gählers kleinformatigem Werk sehen wir Gemüsetunnel in einer verschneiten Nacht. Obwohl diese Tunnel ein vertrautes Bild sind, wird unser Blick durch den Schneefall verändert. Die Dunkelheit kann ein Gefühl des Unbehagens hervorrufen, das entsteht, wenn das Bekannte vom vermeintlichen Fremden überlagert wird. Bereits Sigmund Freud (1856–1939) wies in seinem Essay Das Unheimliche von 1919 auf den schmalen Grat zwischen «heimlich» und «unheimlich» hin. Die Basis für das Unheimliche sei das Vertraute und Längstbekannte. Das Wort «heim-lich» hingegen spielt mit der Ambivalenz zwischen «heim-elig» und der Bedeutung «versteckt», «verborgen», was wiederum an «ge-borgen» denken lässt und somit den Kreis schliesst.
Gählers Garten öffnet Raum für Neues, für Interpretationen und Geschichten. Vieles bleibt unter der Schneedecke verborgen. Der Künstler möchte Assoziationen wecken, die zu eigenen Erzählungen anregen. Für seine Werke bevorzugt Marcel Gähler eine ruhige, melancholische Stimmung, die besonders durch die Atmosphäre der Nacht entsteht. Diese ist oft mit einem Hauch von Einsamkeit verbunden. Die Dunkelheit dient dabei als Mittel, um vertraute Orte zu verfremden und einen neuen Blickwinkel zu eröffnen. Die Offenheit wird durch seinen bewussten Verzicht auf einen Werktitel vergrössert.
Die Szenerie der Gemüsetunnel wird erstmals durch das Blitzlicht der Kamera des Künstlers sichtbar, bevor sie in seinem Atelier in Aquarell umgesetzt wurde. Dies soll verdeutlichen, dass es sich um die Abbildung einer Abbildung der Realität handelt – nicht um die Realität selbst.
Marcel Gähler wurde 1969 in Zürich geboren, wo er auch die Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Hochschule für Gestaltung und Kunst absolvierte. Ihm wurden mehrere wichtige Auszeichnungen wie den Carl Heinrich Ernst-Kunstpreis oder den Förderpreis der Stadt Winterthur verliehen. Seine Kunst ist international in Galerien vertreten. Heute lebt und arbeitet er in Winterthur. Er streift mit Vorliebe nachts durch die Eulachstadt.
Text: Elin Weiss