Kunstwerk des Monats
Januar 2025
KLEBEBANDSPECHT, 2002
Lutz & Guggisberg
Holz, Klebeband
48 x 40 x 23 cm
Inv.-Nr. 49
Auf den ersten Blick wirkt er unscheinbar: Ein hübscher Vogel, der scheinbar sorglos auf einem Holzstück sitzt. Doch bei genauerem Hinsehen beginnt man zu grübeln – denn der Körper des Vogels besteht aus glänzendem Kunststoffklebeband. Der Klebebandspecht von Lutz & Guggisberg gehört zu einer seit 2002 entstehenden Serie von Plastik- und Recyclingvögeln, welche die Themen Konsum, Wegwerfgesellschaft und Wertschätzung beleuchten.
Der starke Kontrast zwischen dem verwendeten Material und dem dargestellten Motiv macht auf die Bedrohung durch menschlichen Abfall aufmerksam. Besonders unverdaulicher Plastik, den Tiere häufig mit Nahrung verwechseln, steht im Fokus. So sind auch Vögel wie der Specht gefährdet: Plastikmüll verschmutzt nicht nur ihre Lebensräume, sondern stört auch die empfindlichen Nahrungsketten. Bilder von verendeten Seevögeln mit plastikgefüllten Mägen blitzen auf.
Doch der Klebebandspecht ist mehr als nur eine Mahnung vor den katastrophalen Folgen von Plastikmüll und der modernen Wegwerfkultur. Er symbolisiert auch Hoffnung: Ein Wegwerfprodukt wie Klebeband wird hier zu einem kunstvollen, aussagekräftigen Werk recycelt. Das Kunstwerk lädt Betrachterinnen und Betrachter dazu ein, den eigenen Umgang mit Ressourcen zu überdenken und die Bedeutung von Recycling neu zu bewerten.
Andres Lutz (*1968, Wettingen) und Anders Guggisberg (*1966, Biel) studierten Kunst in Zürich. Als Künstlerduo arbeiten sie seit 1996 zusammen und präsentierten noch im selben Jahr ihre erste gemeinsame Ausstellung. Untereinander decken die beiden Künstler diverse künstlerische Felder ab wie Installation, Plastik, Textarbeit, Malerei, Videokunst, Musik, Fotografie und Skulptur. In ihren provokanten, meist genreübergreifenden Arbeiten verwenden die Preisträger des St. Gallischen Kulturpreises 2021 gerne vorgefundene Materialien – als kritischen Kommentar zur Wegwerfgesellschaft.
Text: Alessia Gadient