Keine Bilder.

Kunstwerk des Monats
Juli 2021

From Here You Can Almost See the Sea, 2010

Eva Maria Gisler (*1983)
Fotografie
Bildmass: 22 x 31 cm
Inv.-Nr. 3730

Ob analog oder digital – wenn Eva Maria Gisler unterwegs ist, hat sie, nebst dem Smartphone, fast immer eine Kleinbildkamera dabei. So fotografiert sie, was ihr über den Weg «läuft». Auch die hier vorgestellte Arbeit From Here You Can Almost See the Sea entstand auf diese Weise: Als die Künstlerin im Sommer 2010 eine Reise zur schwedischen Insel Öland unternahm, hatte sie sich nach dem Studium der Karte eine Vorstellung zur Grösse der Insel gemacht. Einmal dort angekommen, stellte Gisler jedoch fest, dass das Imaginierte nicht der vorgefundenen Realität entsprach. Im Laufe der Erkundungsreise begegnete ihr an einer Waldlichtung genauso unerwartet ein weisses Quadrat, welches sich durch seine Helligkeit von seiner Umgebung loszulösen schien. Dieses weisse Quadrat, in Wirklichkeit ein Frachtcontainer, stand fremd da und zog Gisler in seinen Bann.

From Here You Can Almost See the Sea ist eine Aufnahme, welche ohne Stativ mit einem abgelaufenen Dia-Film, dessen roter Anteil nicht mehr vorhanden war, entstand. Daher das grobe Korn und die Dunkelheit, obwohl das Bild an einem helllichten Tag aufgenommen wurde. Was genau festgehalten wurde und was nicht, wusste die Künstlerin zu jenem Zeitpunkt nicht. Heute würde sie nach eigenen Angaben mit ihrem Smartphone eine «Backup-Aufnahme» machen und danach, mit grosser Wahrscheinlichkeit, trotzdem das analoge Negativ verwenden. Wie viel vom Zauber der Unwissenheit würde dann aber noch weiterbestehen?

Zurück im Atelier scannte sie das gesammelte analoge Material und wandelte es in digitale Artefakte um. Bei der Digitalisierung sowie der Vergrösserung, wie sie hier vorliegen, gehen Details verloren und das Bild erhält eine zusätzliche Grobkörnigkeit. Die Künstlerin scheint von der Frage «Was passiert mit dem Motiv?» angetrieben zu sein. Ein Frachtcontainer, eine temporäre Güterdeponie: Was passiert damit? Wovon ist der Container Teil? Ein Container als Skulptur in sich geschlossen und dennoch Teil eines grossen Ganzen, eines weltumspannenden, modularen Systems.

Durch ihr Interesse für das Danach, für fragile Momente und instabile Konstruktionen, schafft Gisler Raum für Gedanken über die Vergänglichkeit, das Gegenwärtige und das Zukünftige. Die darin abgebildeten Objekte und verwendeten Materialien, wie zum Beispiel Zimmerpflanzen, Karton, Holz oder Beton, kennen wir aus unserem Alltag, was beim Betrachten der Werke eine gewisse Vertrautheit hinterlässt.

Eva Maria Gisler (*1983) studierte an der Hochschule der Künste Bern sowie an der Slade School of Fine Art in London. Heute lebt und arbeitet die im Aargau aufgewachsene Künstlerin in Bern. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Fotografie, Installation und Skulptur.

Text: Fabienne Ehrler.