Kunstwerk des Monats
März 2024
OHNE TITEL, 1988
Stéphane Brunner (*1951)
Planografie auf Papier, 5-teilig
je 65 x 50 cm
E. A.
Inv.-Nr. 4335
Auf den ersten Blick: Schwarz. Auf den zweiten Blick: Schwarz. Doch verändert sich die Sichtweise für neugierige Betrachter:innen: Sie erkennen in der dunklen Farbe tonale Unterschiede und geometrische Muster. Das aus fünf schwarzen Planografien bestehende Werk setzt sich mit der Frage auseinander, wie Farbe aufgetragen wird und wie sie wirkt. Stéphane Brunner erschafft dabei Werke, die nichts ausser sich selbst zeigen, wodurch die Wahrnehmung auf die Farbe und das Papier in den Vordergrund gerückt wird.
Für das Werk wählte der Künstler bewusst die Farbe Schwarz. Das Schwarz hat lange Zeit eine Sonderstellung einer unbunten und mit negativem Gehalt behafteten Farbe eingenommen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bahnte sich eine Veränderung im Gebrauch von Schwarz an. Trotz der noch immer bestehenden negativen Konnotation findet Stéphane Brunner darin eine bestimmte Strenge und Beständigkeit, die seiner Meinung nach den anderen Farben fehlen. Das Schwarz besitzt, wie auch die übrigen Farben, eine facettenreiche Palette an verschiedenen tonalen Abstufungen, wie dies in Brunners Werk zum Ausdruck kommt.
Sein genaues planografisches Verfahren, wie er die geometrischen Muster mit den feinen Linien erzielt, ist geheim. Alles, was die Betrachtenden erkennen können, ist das, was sie unmittelbar sehen: die Farbe auf dem Papier und die Strukturen des Materials. Dies sind die Dinge, die im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Doch lassen Brunners Werke hinsichtlich der Wahrnehmung auch einen Bezug auf die Hoffnung zu. Indem man nicht nur ein Schwarz sieht, sondern verschiedene tonale Abstufungen davon, erhält das Sprichwort «Schwarz sehen» eine neue, positive Bedeutung.
Stéphane Brunner ist 1951 in Réchy geboren. Im Anschluss an sein Studium der Literatur in Genf war er zunächst für den Künstler Angel Duarte (*1930) in Sion tätig, um danach in Paris bei Horatio Garcia Rossi (*1929) zu arbeiten. Zurück in Genf besuchte er die École supérieure d'art visuel und gründete zusammen mit Mitstudenten die Künstlergruppe Dioptre. Später unterrichtete er an der Cycle d'orientation de Budé und am Collège de Saussure in Genf Malerei und Zeichnen. In den 1980er-Jahren wandte sich Brunner vermehrt der Abstraktion zu, während er den Umgang mit Schwarz schon zuvor übte.
Text: Elin Weiss